Bäuerliche Zeitreise bei den Oldtimerfreunden

Lembeck. Ein alter Lanz poffert sein Rußwolken aus dem Auspuff, der mehr ein Schornstein ist und sein gemütliches Motorengeräusch ist die Musik zu dem Erntevergnügen der Oldtimerfreunde Lembeck: Mit historischem Gerät stellen die rührigen Sammler und Bewahrer historischer Agrartechnik ein Ernteszenario nach, das noch vor wenigen Jahren den bäuerlichen Alltag bestimmte.

396_tf0923„Das Korn ist hochreif. Das kann man daran fest machen, dass schon Körner aus der Ähre fallen. Jetzt muss schnell geerntet werden, sonst droht bei der kleinsten Feuchtigkeit eine Versprossung des Korns. Es wäre dann unbrauchbar“, sagt Leo Löchteken. Der 70-Jährige Oldtimerfreund kennt die Geheimnisse der Landwirtschaft und beschreibt hier gelassen, was vor 100 Jahren eine Katastrophe gewesen wäre und eine kleinbäuerliche Familie auch in Lembeck zum Sozialfall gemacht hätte.

Aus dem Jahre 1952 stammt der Garbenbinder, der von einem penibel restauriertem Hanomag –Traktor gleichen Alters in Position gezogen wird. Löchteken nimmt auf dem Blechsattel Platz und die Erntefahrt beginnt. Der Roggen wird geschnitten, zu Garben gebunden und natürlich von Hand auf einen Anhänger geladen. „Das haben früher Pferde gezogen. Mit einer Sichel wurden Streifen in das Feld gezogen, damit ja kein Korn verloren ging. Nur reiche Bauern konnten ihre Pferde durch den Bestand laufen lassen“, sagt Löchteken, der sehr genau noch weiß, dass die gute alte Zeit eine verdammt harte und arbeitsreiche Zeit war.

„Man musste auch mechanisches Talent besitzen, denn die Ernter und Dreschkästen waren störabfällig“, weiß Thomas Weßeling, der den Vorsitz bei den Oldtimerfreunden übernommen hat. Wie kommt man auf die Idee, so einen beschwerlichen landwirtschaftlichen Alltag nachzustellen. „Wir sind hier alle irgendwie mit dem Thema von Kindsbeinen an verbunden.

Als die kleinen Traktoren für den Gegenwert einer Flasche Schnaps in den Schrott wanderten und fast alles verschwunden war, haben wir uns gedacht, dass die landwirtschaftliche Technik und das Wissen um ihren Einsatz ein Stück unserer Identität ist. So hat das alles angefangen“, sagt Weßeling. Mit Spürsinn und plattdeutschen Bettelreden haben die Lembecker ihre Schätze gehoben. Nur konsequent, wenn sie dann auch einmal im Alltag eingesetzt werden. „Die Genossenschaft hat uns das Saatgut geschenkt und Bernhard Micheel hat einen Morgen Land für uns frei gehalten. Wir haben mit einem historischen Gerät die Saat ausgebracht und jetzt ist die Ernte angesagt“, sagt Weßeling. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. „Wir werden wohl rund 30 Zentner Korn Ertrag haben. Das Korn ist gut gediehen. Damit war wegen der Wetterbedingungen im Frühjahr eigentlich nicht zu rechnen. Das liegt wohl an dem Boden des Familienackers der Löchtekens“, sagt Experte Leo Löchteken. In drei Wochen wird beim traditionellen „Kiek rin“ der Oldtimerfreunde der Dreschkasten angeworfen und irgendwann werden sie aus ihrem Korn Brot backen und vielleicht auch einen Klaren brennen. Wie in längst vergangenen Zeiten, die allerdings schleichend vergangen sind, sitzen die Hobbybauern nach der Ernte im Kreis, trinken ein Bier, essen ein deftiges Brot und genießen ihr Lembeck.

Quelle: 03.08.2011 WAZ / Der Westen (Jo Gernoth)

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